Kommentar zum Bildungsmonitor 2023. 20 Jahre Vergleich der Bundesländer: Die Herausforderungen nehmen zu, die Leistungen ab

Edith Wolf und Prof. Dr. Carsten Busch, Sprecher des Nationalen MINT Forums, haben die neueste Ausgabe des INSM-Bildungsmonitors kommentiert.

Nachrichten
30.08.2023

Berlin, 30. August 2023. Zum heute erschienenen Bildungsmonitor erklärt das Sprecher-Team des Nationalen MINT Forums, Edith Wolf und Prof. Dr. Carsten Busch: 

„Der Bildungsmonitor steht in einer Reihe von Studien – teils schon veröffentlicht, teils warten wir noch auf die Ergebnisse – die zeigen: Das deutsche Bildungssystem steht vor immensen Herausforderungen. Die Erhebung verdeutlicht, dass sich auch die Kompetenzen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) seit der ersten Studie im Jahr 2003 verschlechtert haben. In erster Linie wird aber gezeigt, wie unterschiedlich die Bildungsvoraussetzungen für Kinder in verschiedenen Bundesländern sind. Die Qualität von Bildung wird in Deutschland zur Standortfrage – das gilt auch für die MINT-Bildung“, sagt Edith Wolf, Co-Sprecherin des Nationalen MINT Forums.

„Wir sehen in den Ländern, in denen die Schulqualität vergleichsweise gut oder sehr gut ist, auch gute Ergebnisse im Handlungsfeld MINT, bzw. der Forschungsorientierung. Hier ist besonders das Erreichen der Mindeststandards in Mathematik entscheidend. Der Bildungsmonitor betrachtet die 16 Bildungssysteme der Bundesländer. Was häufig als Problem dargestellt wird, könnte auch ein Vorteil sein: die verschiedenen Indikatoren geben Hinweise auf Stärken und Schwächen. Die Länder könnten also sogar voneinander lernen und profitieren“, so Wolf weiter.  

„Grade die MINT-Disziplinen bieten ein hohes Potenzial für den Aufstieg. Die gesunkenen Kompetenzen, vor allem in Mathematik, könnten sich folglich weiter negativ auf das Potenzial an Studienanfänger:innen bzw. derjenigen, die eine berufliche Ausbildung in den MINT-Fächern anstreben, auswirken. Damit sind die gesunkenen Kompetenzen leider ein entscheidender Faktor für weniger Chancengerechtigkeit und Teilhabemöglichkeiten“, erklärt Prof. Dr. Carsten Busch, Co-Sprecher des Nationalen MINT Forums.

„Der Bildungsmonitor zeigt erneut: die Probleme im Bereich des Bildungssystems sind offensichtlich, nötige Reformen sind zum Teil schon auf dem Weg, aber wir müssen konsequenter und schneller umsetzen. Die deutliche Abnahme der schulischen Qualität, besonders im MINT-Bereich entlang der gesamten Bildungskette erfüllt uns mit großer Sorge. Sowohl die Hochschulen als auch die Unternehmen im Bereich der betrieblichen dualen Ausbildung leisten einen wichtigen Beitrag zur MINT-Fachkräftesicherung. Wir können diese Aufgabe nur gemeinsam mit starken Schulen meistern.

Ergänzend sehen wir besonders die Zuwanderung über die Hochschulen als große Chance. Zugewanderte Studierende streben in Deutschland besonders häufig einen MINT-Abschluss an. Das deutet darauf hin, dass unsere hochschulische Ausbildung in technisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen international hohe Anerkennung genießt. Diese müssen wir halten, ausbauen und den jungen Menschen attraktive Bleibeperspektiven für eine Karriere in Deutschland aufzeigen. Nur so werden wir unseren Status als technologie- und forschungsintensive Volkswirtschaft halten können – mit Gestaltungskraft und für unseren künftigen Wohlstand“, so Busch weiter.

Über die Studie: Die Vergleichsstudie „Bildungsmonitor“ wird seit 2003 vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt. In die jährlich erscheinende Vergleichsstudie werden 93 Indikatoren einbezogen, anhand derer die Bildungssysteme der 16 Bundesländer verglichen werden.

 

Kontakt für die Presse

Mara Ascher; mara.ascher(at)nationalesmintforum.de; +49 (0)159 / 01 85 80 16

 

weiterführende Information

Fünf Impulse des Nationalen MINT Forums für bessere MINT-Bildung und das Schließen der MINT-Fachkräftelücke:

1. Alle bisher ungenutzten MINT-Fachkräftepotentiale aktivieren 

Die bislang nicht ausreichend genutzten Potentiale (Frauen, Personen mit Migrationsgeschichte und Personen ohne Schulabschluss), sollten einen individuelleren Zugang zu passgenauen Mentoring-, Begleit- und Beratungsangeboten zu Perspektiven und Möglichkeiten in MINT-Berufen erhalten. Besonders die Potentiale der Frauen dürfen nicht nur über das Angebot besserer Kinderbetreuung oder unter den - zweifellos sehr wichtigen - Aspekten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschlossen werden. Für MINT-Berufe müssen auch Faktoren wie Flexibilität, Entwicklungs- und Karriereoptionen als Pull-Faktoren etabliert werden. Klischeefreie Berufsbilder und weibliche Rollenvorbilder sind hier von zentraler Bedeutung.

2. Die berufliche duale Ausbildung als MINT Karriereweg zentral positionieren

Durch die demografische Entwicklung und neue Anforderungen infolge von Digitalisierung und Decarbonisierung sowie eine sich verändernde Arbeitswelt ist der Mangel auf dem mittleren Qualifikations-niveau besonders dramatisch. Es gilt daher, die MINT-Bildung im schulischen Fächerkanon zu stärken, mehr Schülerinnen und Schüler im Rahmen der klischeefreien Berufsorientierung für naturwissenschaftlich-technische und informatische Berufe zu begeistern und stärker für die duale Ausbildung in MINT-Berufen zu werben. Eine berufliche duale Ausbildung in MINT-Berufen ist sinnstiftend, bietet vielseitige Perspektiven und Karrierewege und verspricht zudem überdurchschnittliche Verdienstmöglichkeiten.

3. Erstsemesterquoten steigern - Abbrecherquoten senken – Interdisziplinarität stärken

Nicht nur die Erstsemesterzahlen in MINT-Fächern sind an den deutschen Hochschulen in den letzten fünf Jahren stark gesunken, auch die Abbrecherquoten sind zu hoch. Ersteres lässt sich auch mit der demografischen Entwicklung erklären, die allgemein gesunkenen Leistungen der Schülerinnen und Schüler, besonders im Bereich der Mathematik, tragen zu letzterem bei. Hier gilt es, die MINT-Kompetenzen wieder zu erhöhen. Um die Abbrecherquote zu verringern, sollten Hochschulen in die Lage versetzt werden, u.a. Einstiegshilfen ins Studium auszubauen und Mentoring-Programme für MINT-Studierende zu verstärken. Darüber hinaus können MINT-Studiengänge stärker mit anderen Disziplinen verbunden werden (STEAM oder MINKT), um neue Zielgruppen zu erreichen, die sich bisher nicht angesprochen gefühlt haben.

4. Den MINT-Lehrkräftemangel bekämpfen

Mittel- und langfristig wird der MINT-Lehrkräftemangel den allgemeinen MINT-Fachkräftemangel massiv verstärken. Um junge Menschen für ein MINT-Lehramt zu begeistern, sollten die Hochschulen der Lehrkräfteausbildung einen deutlich höheren Stellenwert geben. Sie müssen Ressourcen erhalten, um die zunehmend benötigten Quer- und Seiteneinsteigende (berufsbegleitend) weiter zu qualifizieren. Schule kann als Arbeitsplatz nur dann wieder attraktiv werden, wenn multiprofessionelle Teams ermöglicht und die Zusammenarbeit mit außerschulischen (MINT-)Lernorten gefördert werden. Diese und viele weitere Maßnahmen auf schulischer Ebene fallen allerdings wesentlich in die Zuständigkeit der Kultusministerkonferenz und der Länder.

5. Politische Kooperation auf allen Ebenen ausbauen

Im Hinblick auf die Umsetzung von zentralen Vorhaben müssen klare und bindende Strukturen bzw. Zuständigkeiten gelten; Verantwortung darf nicht verschoben werden. Für die MINT-Bildung ist sowohl die horizontale Zusammenarbeit zwischen den Ländern in der KMK als auch die vertikale Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen zentral. Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung versprochene „neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit“ ist allerdings noch nicht erkennbar; das Nationale MINT Forums fordert hier seit langem ein „Kooperationsgebot“.

 

INSM Bildungsmonitor 2023

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