Kommentar zum IQB-Bildungstrend 2021
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KOMMENTAR
Zum heute erschienenen IQB-Bildungstrend erklären Edith Wolf und Dr. Ekkehard Winter:
„In allen untersuchten Kompetenzbereichen des IQB-Bildungstrends sind die Mittelwerte im Jahr 2021 signifikant geringer als im Jahr 2016. Dies zeigt sehr deutlich mit welch dramatisch negativer Entwicklung wir es im deutschen Bildungssystem aktuell zu tun haben – und dass die Gründe dafür nicht nur der Corona-Pandemie zuzuschreiben sind. Besonders der Verlust an Kompetenzen im Bereich der Mathematik (-21 Punkte), die als Grundlage für alle MINT-Disziplinen gilt, bereitet uns große Sorgen. Hier verfehlen rund 22% der Schülerinnen und Schüler den vorgegebenen Mindeststandard. Wie wir aus TIMSS 2019 wissen, gilt Ähnliches auch für naturwissenschaftliche Kompetenzen.
Die Herstellung von Chancengerechtigkeit und Teilhabe ist eine der zentralen Aufgaben unseres Bildungssystems. Daher ist besonders besorgniserregend, dass die Ergebnisse für Kinder mit Migrationshintergrund sowie aus sozial benachteiligten Familien im Vergleich noch schlechter ausfallen. In Anbetracht des fortschreitenden demografischen Wandels können wir es uns nicht leisten, auch nur eine Person zurückzulassen. Die Personen, die sich jetzt im Schul- oder Hochschulsystem befinden, müssen durch ihre Bildung und Ausbildung dazu befähigt werden, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unseres Landes zu lösen. Menschen ohne ausreichende Lese-, Schreib- und Mathematikkompetenzen haben große Schwierigkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben oder es selbstbestimmt mitzugestalten.
Es gibt nur wenige Lichtblicke: Die Länder Bayern und Sachsen liegen sowohl in Deutsch als auch in Mathematik signifikant über dem deutschen Schnitt, was Mindest- und Regelstandards betrifft. Und in den Bundesländern Bremen (das allerdings mit Berlin und Brandenburg gegenüber dem Bundesdurchschnitt die schlechteste Performance aufweist), Hamburg und Rheinland-Pfalz konnte in den Bereichen Lesen und Orthografie sowie im Fach Mathematik das Leistungsniveau gegenüber 2016 gehalten werden, in Hamburg sogar über zehn Jahre; hier sind die Erfolge einer engagierten Bildungspolitik zu erkennen.
Die Politik ist nun gefordert, schnelle und kreative Lösungsansätze für eine massive Transformation im Bildungssystem zu finden, damit jedes Kind nach der vierten Klasse anschlussfähig weiterlernen kann. Dabei sollten unbedingt die vielen positiven Beispiele, die es in verschiedenen Bundesländern gibt, herangezogen werden.
Die strukturelle Einbindung außerschulischer Akteure – in verschiedenen Fachbereichen, aber vor allem in MINT – sowie die stärkere und effizientere Nutzung digitaler Lehr- und Lernmethoden bietet für die Gestaltung unsers Bildungssystems nicht nur erhebliche Potentiale, sie ist aus unserer Sicht zwingend notwendig, um die aus dem IQB-Bildungstrend erneut ableitbare Misere zu beheben.“